04.01.2009 - 17:38

Warum die Farbe Blau "geraten" wird

Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus


Alle Digitalkameras zeigen im Vergleich zum Film einen wesentlichen, qualitativen Unterschied, wenn es um die Farbwiedergabe geht. Während beim Filmmaterial die lichtempfindliche Schicht rund fünfzig Jahre brauchte, um nicht nur blau, sondern auch grünempfindlich zu werden (1884 als orthochromatisch bezeichnet) und seit 1902 dann ähnlich empfindlich für alle Farben wurde (panchromatisch), ist dies bei den Bildsensoren noch nicht erreicht.

Die digitale Bildaufzeichnung steckt ähnlich der ersten Jahrzehnten der Fotochemie noch in den Anfängen. Bei Bildsensoren ist die Empfindlichkeit für Farben umgekehrt. Die roten Farben werden deutlichst bevorzugt. Die geringste Empfindlichkeit zeigt sich bei Blautönen. Während die Bildsensoren die roten Farben sehr differenziert wiedergeben und schnell zur Überbelichtung neigen, wird die schon deutlich geringere Empfindlichkeit für grüne Farben mit doppelten Photodioden mit der Bayer-Matrix etwas abgeholfen. Dabei bleibt die Farbe Blau bei jeder Aufnahme jedoch deutlich unterrepräsentiert.

Man kann es auch anders sagen: Bei jeder Aufnahme ist der Rotkanal schnell übervoll, während die blauen Farbanteile gar nicht gleichwertig aufgezeichnet werden können. Damit erklärt sich eine große Farbabweichung bei blauen Himmelstönen, sobald man die Fotos von unterschiedlichen Kameras vergleicht. Und wenn in einem Motiv schon wegen einer Beleuchtung kaum noch blaue Farben reflektiert werden, sind die entsprechenden Farbinformationen auf einem Bildsensor eher gar nicht vorhanden. Es wird wohl noch einige Jahre bis sogar Jahrzehnte dauern, um die drei Farben Rot, Grün und Blau gleichwertig aufzunehmen. Bisher ist nicht einmal in der Theorie eine digitale Bildaufzeichung in Sicht, die gleichmäßige Farbanteile wiedergeben könnte.

Die Korrektur der Farben geschieht in den Kameras. Jeder Hersteller hat dafür seine Software, um Farben so zu errechnen, dass zumindest für Aufnahmen mit Tageslicht so etwas wie ein Farbgleichgewicht entsteht.

Bei Kunstlicht funktioniert das bei keiner digitalen Kamera wirklich gut. Farbstiche sind überall zu finden. Das zeigen alle Tests. Entweder sind die Farben bei Kunstlicht rötlich oder nach Orange verschoben. Man kann sich nun leicht vorstellen, dass dies mit den Bildsensoren und der Korrektur in den Kamera zusammen hängt. Und man kann sich vorstellen, dass die fast vollständig fehlende Wiedergabe von blauen Farben aus den geringen Lichteindrücken der Photodioden resultiert. Es ist keineswegs übertrieben die Qualität der blauen Farben eines Fotos als „geraten“ zu bezeichnen. Denn um eine an die natürlichen blauen Farben angenäherte Farbwiedergabe zu erreichen, fehlt eine ausreichende Farbinformation.

Warum ist beim Licht von Glühlampen oder dem von Neonleuchten keine gute Farbwiedergabe vorhanden bzw. nicht einmal zu errechnen? Nun, zusätzlich zur unausgewogenen Farbwiedergabe der Bildsensoren tritt ein weiterer, negativ wirkender Effekt hinzu. Stärker als beim Film sind die Übergänge zwischen den drei Farben viel deutlicher begrenzt. Es geht hierbei um die so genannten „Nebendichten“ jener kleinen, optischen Farbfilter vor den winzigen Photodioden. Während sich beim Film mithilfe chemischer Zugaben die Übergänge zwischen den Farben Rot, Grün und Blau deutlich überlappen, unterscheiden und trennen die Farbfilter der Bayer-Matrix die drei Farben recht eindeutig. Die Nebendichten werden dadurch gering und sind auch noch ungleichmäßiger als beim Film. Der Übergang gerade zur Farbe Blau ist fast nicht vorhanden, schon weil die Bildsensoren selbst wie ein strenges Filter wirken, das insbesondere rotempfindlich ist. Da nutzt es auch nichts, dass die Bayer-Matrix - einmal rot, zweimal grün und einmal blau zusammen ein Farbpixel ergeben - beim Gebrauch der Kamera die Qualität der winzigen Farbfilter allmählich abnimmt, wie dies bei jedem optischen Farbfilter als Alterungsprozess geschieht. Hierbei werden lediglich die roten Farbanteile verstärkt hervor treten. Wie schnell jedoch die Farbfilter einer Bayer-Matrix ausbleichen ist das große Geheimnis der Hersteller.

Insgesamt kann man aber festhalten, dass die Farbe Blau wegen der geringen Lichtmenge sich kaum vom Grundrauschen eines Bildsensors abhebt. Nun kann diese geringe Farbinformation aber nicht einfach verstärkt werden, denn farbige Störmuster werden damit ebenfalls angehoben, wie dies bei jedem Verstärken von Signalen, ähnlich dem Anheben einer Lautstärke beim Radio und damit der Nebengeräusche geschieht. Die Farbe Blau würde so nicht besser nutzbar. Man kann den umgekehrten Weg gehen. Gibt es eine geringe Menge von blauen Farbanteilen, denn werden diese durch die Software der Kamera hinzu gerechnet. Damit wird vermieden, das Grundrauschen anzuheben. Aus den winzigen Unterschieden der Farbe werden neue blaue Farbunterschiede errechnet. Das diese von der ursprünglichen Farbe stark abweichen, fällt uns weniger auf, weil wir Menschen in diesem Bereich des Farbspektrums nicht so gut unterscheiden können. Klar, wir wissen, dass da eine blaue Farbe war, aber wie natürlich oder unnatürlich diese wirkt, wird uns nicht so leicht bewusst, wie dies etwa bei grünen oder insbesondere bei Hauttönen auffallen kann. Oder anders formuliert: Bei blauen Farben sind wir Menschen recht tolerant und erkenne Farbabweichungen geringer.

Es kann noch viele Jahre dauern, bis ein Bildsensor das Farbspektrum natürlicher bzw. ähnlich ausgewogen wie der Film wiedergibt. Da Glühlampen oder Neonleuchten kein blaues Licht enthalten, werden die fotografierten Gegenstände keine richtigen blauen Farbanteile reflektieren. Unser Gehirn lässt sich davon täuschen und korrigiert den Farbeindruck. Ein Bildsensor kann dies nicht und die Software einer Kamera ist damit überfordert.

Hier kommt nun eins zum anderen. Deshalb ist es keineswegs eine Verfälschung, wenn in jenen Fotos die unter künstlichem Licht entstanden, mithilfe einer Bildbearbeitung jene Bildanteile so farbig verändert werden, wie es dem natürlichen Eindruck entspricht. Hierbei kann die zusätzliche Einfärbung mit blauen Farben nicht einfach als Manipulation bezeichnet werden, denn die Unvollkommenheit der heutigen Bildsensoren ist nun mal eindeutig.

Gastbeiträge enthalten die Meinung des jeweiligen Autors und spiegeln nicht die Meinung von dkamera.de wieder.