23.11.2008 - 10:44

Schnee und Tageslicht

Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus


Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus

Bevor Sie bei diesem Titel an das Wetter und ein theoretisches Thema denken, verdeutlichen Sie sich in einer ruhigen Minute, was das besondere der Wetterlage ist. Und wie es für einen Fotografen zu erwarten ist, denke ich an das Licht beim Fotografieren. Neben den zu erwartenden verkehrsbedingten Schwierigkeiten bin ich bester Laune bei der Aussicht auf die besonderen Lichtverhältnisse solcher Tage, jene bezaubernden Lichtstimmungen, die sich nur bei Schnee über das Land legen und alles erfassen, so wie die gedämpften Geräusche den Alltag verändern. Die weiße Decke gestaltet besondere Motive. Ich sehe heute morgen – es ist kurz vor sieben – aus dem Fenster auf einige wenige bisher nicht verblühte Blumen, die nun bedeckt sind von Schnee. Eher ungeduldig erwarte ich das helle Licht des Tages, um diesen ungewohnten, aber natürlichen Widerspruch zu fotografieren. Selbst unter einer Wolkendecke haben wir große Lichtkontraste zu erwarten, denn Schnee reflektiert das Licht besonders stark. Und sollen auf Fotos nicht papierblanke, weiße Flächen entstehen, dann hat man sich auf ungewöhnliche Belichtungseinstellungen vorzubereiten.

Nehmen wir eine beliebte Szenerie als Beispiel, die rodelnden Kinder mit und ohne erwachsener Begleitung. Steht die Kamera auf Automatik, dann wird der Schnee die Belichtungseinstellungen einer Kamera, die sonst sehr zuverlässig richtig belichtete Bilder liefert, stark verändern können. Je nachdem wie groß der Anteil der Schneeflächen im Bild sein wird, kann einiges misslingen, da es die Automatik einer Kamera überfordern kann. Ist man nah dran an den Schlittenfahrern, dann werden diese bei einer Belichtungsautomatik stark gewichtet, das heißt bevorzugt. Der Schnee wird zwar papierweiß auf den Fotos wiedergegeben, doch die Rodler dominieren und werden richtig belichtet. Doch aus größerer Entfernung aufgenommen werden die Menschen mit den Schlitten leider recht dunkel auf einer Aufnahme erscheinen, da diese nun nicht die Fläche eines Fotos dominieren. Das ist eine einfache Erklärung, die aber nicht für alle Motive mit Schnee gelten kann.

Die erste Regel für Aufnahmen kann lauten: nahe ran an die Motive. So wird Schnee zwar als blitzblankes Weiß auf einem Foto erscheinen, aber keine große, geschlossene Fläche bilden. Sind wir dagegen weiter weg wird jede Belichtungsautomatik etwas machen, das im ersten Moment recht unverständlich ist. Denn solche Fotos werden zu knapp belichtet und die Motive erscheinen zu dunkel. Was hierbei passiert, kann für alle Aufnahmen gelten, die bei großen Lichtkontrasten entstehen. Man kann die Lichtsituation von Sonnenbildern mit Schnee übertragen auf den sommerlichen, hellen Sandstrand. Der Technik ist es egal, was wir fotografieren. Für sie zählt im automatischen Betrieb der Durchschnittswert aller hellen und dunklen Bildbereiche. Dumm wie jede Technik – auch wenn diese in so mancher Werbung gerne als „intelligent“ beschrieben wird – werden die Bildanteile durchgezählt und gemittelt. Dem entsprechend wird die Belichtung eingestellt. Sind viele sehr hell, eben schneeweiße Bildanteile im Bildausschnitt, dann bedeutet es, dass die Belichtung knapper ausfällt, als es für die meisten Motive gut ist.

Wonach richtet sich eine Belichtungsautomatik? Die Frage ist durchaus berechtigt, denn was ist das Ziel einer solchen Automatik? Da eine Technik keinerlei Kenntnisse davon hat, was für uns wichtig ist, wird der Zielwert einer Belichtung das durchschnittliche Grau. Übrigens hatte zu den Zeiten des Films das "mittlere Grau" einen Wert von 18%. Wer heute als anspruchsvoller Amateur mit einer gekauften Graukarte für Film herum läuft und damit seine Belichtung von Hand misst, hat gute Ergebnisse lediglich dem Umstand zu verdanken, dass ein digitaler Bildsensor ziemlich viel Falschbelichtung verträgt. Digital gezählt ist das mittlere Grau tatsächlich exakt in der Mitte von Hell und Dunkel bei 50%, als digitaler Wert heißt dieser "128". Man kann also sagen: wird ein überwiegend dunkelgraues Motiv aufgenommen, dann versucht eine Belichtungsautomatik dieses Objekt so lange zu belichten, dass es mittelgrau wird. Die entsprechende Fehlbelichtung gilt für recht helle Motive. Diese werden so belichtet, dass sie zu dunkel auf einem Foto erscheinen werden.

Und wenn wir Aufnahmen mit Schnee machen, dann hat eine Belichtungsautomatik keine Wahl. Es wird von den Bildausschnitten abhängen, mit viel oder weniger Schnee im Bild, ob eine Aufnahme richtig belichtet ist. Und, so mag man fragen, würde es stören, sollte die Belichtung einer Automatik nicht ganz exakt sein? Nun, etwas an "Information" geht verloren. Es ist die allgemeine Qualität der Farben. Werden diese zu hell oder zu dunkel wiedergegeben, dann erscheinen Farben nicht mehr so intensiv. Dabei ist es eines der besonderen Reize auf Fotos mit Schnee. In den perfekt inszenierten Werbeaufnahmen mit Schnee sind leuchtende Farben ganz selbstverständlich zu sehen. Und da wir alle auch gerne solche Fotos vorweisen wollen, sind ein paar grundsätzliche Dinge zu tun. Zur Farbwiedergabe im Schnee gäbe es noch einiges mehr zu sagen, doch dies würde für eine allgemeine Einführung ins Thema und an einem Sonntag einfach zu weit führen.

Als zweites lässt sich festhalten: bei Aufnahmen mit viel Schnee im Bildausschnitt werden die dunklen Bildbereiche zu dunkel wiedergegeben. Solche Aufnahmen sollten nur kleine Objekte in einem Bildausschnitt erhalten, was beispielsweise für Landschaftsaufnahmen gelten kann.

Drittens kann gelten: wenn Schnee und Motiv gleich wichtig sind, dann sollte man
die Aufnahme anschließend auf dem Display überprüfen. Eventuell erreicht man mit einer von Hand eingestellten Belichtungskorrektur einen geeigneteren Mittelwert von Hell und Dunkel. Doch das ist für Aufnahmen mit Schnee nicht gewiss. Bei manchen Aufnahmen ist es besser auf eine dunklere Wolkendecke zu warten, damit die Lichtkontraste abnehmen. Oder man schaltet in ganz hellem Licht auch noch den Kamerablitz hinzu. Der will bei Tageslicht im automatischen Modus und bei genügend Licht eigentlich nicht auslösen. Der Blitz ist dann von Hand einzustellen und nicht für jede Situation geeignet. Man kann sich damit behelfen, dass der Bildausschnitt als Gegenlichtsituation begriffen wird und das entsprechende Motivprogramm "Gegenlicht" angewählt ist. Warum für Aufnahmen im Schnee üblicherweise kein Motivprogramm existiert? Zumindest habe ich von keiner Kamera gehört, die ein solches Programm hat.

Man lasse sich Fotos im Schnee nicht durch lange Erklärungen verkomplizieren. Wenn es aber nicht so richtig klappen will, dann denken Sie an diesen Beitrag.

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