30.11.2008 - 19:29

Kompakte Kameras wie Jahrgänge beim Wein?

Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus


Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus

Der Jahrgang 2008 ist nur mäßig. Keines von 100 Modellen sei gut, resümiert die Stiftung Warentest und fast zusammen: "Ältere Digitalkameras machen bessere Bilder als die Modelle von heute." Das lässt aufhorchen, besonders wenn es heißt: "Die Farben sind natürlicher, die Bilder bei den älteren Kompakten weniger verrauscht. Der Bildeindruck ist klarer." Bis in die Nachrichtensendungen des Fernsehens drang diese Botschaft. So etwas kann einem die Kauflaune verderben.

Aber was ist mit den Tests, die es hier bei www.dkamera.de zu lesen gibt? Darin schneiden einige neue Modelle durchaus besser ab als ältere Modelle. Dabei stellt sich die Frage was getestet wird. Denn auch hier gilt, Test ist nicht gleich Test. Bei der Stiftung Warentest sitzen die Hersteller wie üblich schon vorab mit im Boot und bestimmen die Testbedingungen. Klar, alle wollen die eigenen Produkte besonders gut aussehen lassen. In einer solchen Runde muss man sich einigen. Der Test bei der Stiftung Warentest ist ein Sehtest, eine Beurteilung der Fotos nach dem Seheindruck. Die Stiftung Warentest schreibt auf ihrer Webseite, dass die schlechtere Qualität bei Fotos ab 18 x 24cm sichtbar wird.

In der Kameratechnik werden üblicherweise Testfotos von gedruckten Vorlagen zur Beurteilung heran gezogen. Das ist dann keineswegs mehr subjektiv, sondern vergleichbar, auch wenn letztlich der subjektive Eindruck zählt, sobald es um die schönen und schöneren Fotos geht. Zum klassischen Test zählt der Siemensstern für die Schärfeleistung, eine Farbtafel für die Farbneutralität, an der großformatigen Grafik mit Rasterquadranten wird die Verzeichnung, tonnen- oder kissenförmig, in Prozenten gemessen, der CIPA-Test gilt der Lebensdauer der Akkus, subjektive Eindrücke erfassen die Ablesbarkeit von Displays und die Bedienung einer Kamera. Das ist nichts ungewöhnliches. So wurden schon in den siebziger Jahren die Kameras getestet, abgesehen vom Display. Bewährt und gut?

Ja und nein. Man muss die verschiedenen Testformen erst noch zusammen bringen. Und dann wird es recht unübersichtlich um zu einem einheitlichen Urteil zu finden. Die Hersteller gründen ihren Verkaufserfolg nicht auf die Technik oder das Design. Was die Kunden viel mehr interessiert ist das "im Griff haben" der Kamera beim Fotografieren, also die Kamera möglichst optimal bedienen zu können. Gerade dem scheinen die kompakten Digitalkameras besonders entgegen zu kommen. Der Gebrauchswert einer Technik lässt sich allerdings nur schwer in Zahlen messen. Zählen wir auf:

Die konservativen Tests, die allein die Abbildungsleistung bewerten, zeigen tatsächlich, dass die optischen Leistungen digitaler Kompaktkameras abfallen gegenüber den Modellen mit weniger Megapixeln. Die Stiftung Warentest zielt mit ihrer Kritik besonders auf die negativen Rauscheigenschaften der immer mehr mit Megapixeln befrachteten Bildsensoren, denen eine deutlich stärkere Rauschunterdrückung beigegeben wird. Dies führt zum Verlust von Details - also Schärfe - und einem Verlust von originalen Farben. Zunehmend wird die Elektrik dazu eingesetzt, um was an optischer Qualität fehlt, durch eine kamerainterne Nachbearbeitung wett zu machen. Übersteigerte, künstlich wirkende Farben sind die Folge, also Fotos jenseits der mittleren Farbwerte. Sie haben nicht mehr jene farbige Genauigkeit, die in einem Test abverlangt wird. Und die Objektive bilden keineswegs so scharf ab, wie es die hohen Megapixelzahlen suggerieren. Doch für Fotos in 13 x18 cm ist das eher egal. Doch ganz so einfach ist das nicht. Viele Megapixel machen immer größere Papierbilder möglich, die von den Objektiven nicht geleistet werden können, wie von vielen immer winzigeren Megapixel-Elementen eine immer gute Farbneutralität. Doch wer vergrößert auf die riesigen Formate? So ist es zwar richtig die Qualität anzumahnen, schon weil die Werbung diese Leistungen verspricht, aber niemand druckt seine Bilder in der Vergrößerung von 100 Prozent, also in der Größe einzelner Pixel.

Allerdings wird in der Kritik auch vollkommen vergessen, das die Kompaktkameras von 2003 mit deren üblichen 5 Megapixeln keineswegs annähernd an neutrale Farben heran reichten. Im Rückblick kann man nur mit Grausen an die Farben bei Sony, Casio und Kodak denken. Und das waren damals die noch besseren Anbieter. Das sich immer mehr und kleinere Photodioden auf den Bildsensoren drängen, heute üblicherweise deutlich über 8 Megapixel, ist wie ein Rückschritt in diese Tage. Die Modelle von 2006 boten im allgemeinen tatsächlich mehr messbare Qualitäten, allein für die Normtafeln. Aber eben nicht ein Plus an Gebrauchswert oder die besseren Bilder in der praktischen Anwendung. Und es wird zumeist an seit Jahrzehnten unveränderten Testbedingungen festgehalten. Die üblichen Farbtafeln werden auf den optimalen Wert belichtet. Heller oder dunkler belichtete Testbilder, das gehört zu keinem Test. Für die reale Fotografie sagen diese Farbtafeln eben gar nichts. Da ist eine farbige Aufnahme mit realen Objekten, wie zum Beispiel des Malkasten hier bei www.dkamera.de weitaus realistischer und gibt allen, auch Laien einen vergleichbaren Eindruck.

So sind wir wieder bei der Frage jenes Nutzens, den ein Test bieten kann. Es hat große Vorteile noch jung am Markt der Tester zu sein und neuere Methoden mit alten zu kombinieren. Sie entsprechen den Anforderungen der Zeit besser, weil der Gebrauchswert einer Kamera anders zu beurteilen ist. Ich halte nun gar nichts davon, dass auch noch das Handbuch in die Beurteilung mit einfließt, weil niemand so etwas liest. So muss die Bedienung einer kompakten Kamera durch die intuitive Anwendung sich erschließen können. Wer auf die Testbilder dieser Webseite schaut, sieht am Feuerzeug recht häufig die farbigen Ränder. In realen Fotos von 13 x 18 cm oder den groben Auflösungen eines Bildschirmbildes tauchen diese seltener auf. Was dagegen im Test sehr wohl gut zu sehen ist sind die Schärfequalitäten zum Rand hin. Doch damit hat sich die Stiftung Warentest nicht so eindrücklich beschäftigt. Dass Rauschverhalten einer kompakten Kamera bereits ab ISO 100 deutlich ausfallen kann lässt sich in den Benotungen immer nachlesen, tritt bei 13 x 18 cm großen Papierbildern oder Postkarten jedoch wenig hervor.

Trotzdem, auch ich denke dass eine Kamera von 2006 oder 2007 den meisten Anwendern bereits gute Dienste leistet. Wer konservativ fotografieren will kann mit älteren Modellen sehr zufrieden sein. Wer einen aktuellen Gebrauchswert sucht, kommt um neue Modelle aber nicht herum. Eine Kamera für die Brusttasche legt andere Schwerpunkte, als für diejenigen, die konservativ fotografieren möchten. Was die Redaktion hier - wohl nicht nur meine Meinung - bei www.dkamera leistet ist eine umfangreiche Kommentierung aus objektiv gemessenen wie auch den subjektiv erlebten Parametern, die zusammen den Gebrauchswert einer Kamera bestimmen. Daraus erwächst dann eine Punktewertung. Und diese finde ich ist eine gute Orientierung für die Entscheidung zu dieser oder jener Kamera. So erst kommt Licht in das Dickicht aus Tests und Meinungen.

Gastbeiträge enthalten die Meinung des jeweiligen Autors und spiegeln nicht die Meinung von dkamera.de wieder.