25.11.2007 - 12:19

Oh nein, schon wieder ein überschärftes Bild

Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus

Wie unterscheidet man die bessere von einer schlechteren Bildbearbeitung? Daran, wie nachgeschärft wurde. Denn bei den hübschen Fotos, die direkt von der Kamera kommend ausgedruckt werden, also im Format JPEG von Gerät zu Gerät gelangen, sind die Bilder bereits geschärft. Und – man könnte auch sagen - „gnadenlos“ scharf. Jede neue Digitalkamera ist so ausgelegt. Tatsächlich sorgt die Software in der Kamera dafür, dass kein ungeschärftes Bild auf die Speicherkarte kommt. Man erkennt es an den übersteigerten Kanten, selbst bei den kleinen Formaten unter 13x18 cm. Diese überscharfen Kanten wirken unnatürlich, schon, weil so ein Effekt mit unseren Augen nicht zu sehen ist. Warum aber werden in den Kamera die Bilder nachgeschärft bis zur Schmerzgrenze, oder sogar darüber hinaus? Gleich mehr dazu. Lassen Sie mich noch etwas anderes ansprechen, das zum Thema gehört.

Selbst ohne den Einfluss einer Kamera, dann, wenn eine kleine Bildbearbeitung zusätzlich benutzt wird, weil diese jedem heimischen Drucker beiliegt, selbst dann wird noch mal und „nebenbei“ nachgeschärft. Das tut schon weh, wenn ich solche Bilder sehe. Doch warum geschieht es? Weil einfach jeder, der die Bilder zuhause ausdruckt, etwas tun möchte, damit diese noch besser aussehen. Man macht es halt...

Und weil die Fotos gut aussehen sollen und wenn möglich noch besser, darum ist es allgemein akzeptiert nachzuschärfen und die Effekte werden hingenommen. Den Betrachtern überschärfter Fotos sagt es: hier hat sich jemand um seine Bilder gekümmert.

Und da sich ein Besitzer einer Digicam nicht von den selbst ausdruckenden Zeitgenossen unterscheiden möchte, sorgen die Hersteller dafür, dass die Fotos aus einfach allen Kameras schon deutlich geschärft sind. Bei kleinen Bildern, so im Format von 10x15 cm, kann man im Ergebnis nicht recht unterscheiden, wie viel überschärft wurde, denn die winzigen Details werden zwar mit zusätzliche Kanteneffekten versehen – neben jeder schwarzen Kante entsteht auch noch eine helle – doch so richtig erkennen kann man diese erst dann, wenn genau hingesehen wird. Der Eindruck von Schärfe lässt sich in kleinen Formaten von 10x15 cm nur wenig über ein bestimmtes Maß hinaus steigern, ohne dass Kanten selbst für den schnellen Blick schlagartig übertrieben wirken. Soweit, so gut oder ungut.

Was stört denn nun an überschärften Bildern, und nicht nur mich? Es ist der Verlust an Natürlichkeit im Bild immer dann, wenn auch nur ein Papier-Format (13x18 cm) größer ausbelichtet wird. Dem genauen Blick offenbaren sich nun schrecklich übertriebene Kanten. Es kann gelten: je größer ein Bild wird, desto deutlicher treten die geschärften Kanten heraus. Im Posterformat von zum Beispiel 30x40 cm kann man mit den überschärften Bildern überhaupt nichts anfangen. Es wirkt, als habe jemand auf die schnelle mit einem Filzstift in schwarz und dann in weiß die Kanten und Linien bearbeitet. Zusätzlich sorgt jede Schärfung dafür, das die wilden Pixel aus dem Rauschen der Bildsensoren auch noch verstärkt sichtbar werden.

Genau das sind die Probleme, die mit jeder neuen Kamera entstehen, die immer mehr Megapixel bieten: Kanten werden noch mehr nachgeschärft als noch vor 2 Jahren dies üblich war, die Linien treten immer künstlicher hervor und das Bildrauschen, also der „Streußelkuchen“ aus wild gewordenen Pixeln, wird immer deutlicher sichtbar. Keine Rauschunterdrückung kann verhindern, dass störende Pixel im Bild verbleiben, sonst müssten die Fotos unscharf aus der Kamera kommen. Rauschminderungen kaschieren die störenden Pixel. Wird nun nachgeschärft, dann hebt das die Rauschunterdrückung wieder auf. Die über das Bild verteilte Pixelstörung aus bunten und schwarzen Punkten wird wieder sichtbarer. Und, durch das Nachschärfen werden die Treppenstufen an diagonalen Kanten und Linien auch noch verstärkt.

Muss man Nachschärfen? Nicht nur das es nicht nötig ist, man muss in JPEG sogar weniger schärfen, als in anderen Formaten, zum Beispiel in TIFF. Durch das komprimierte Format JPEG werden bereits mehrere Bildpunkte, zum Beispiel 8, 16, 32 oder mehr zusammen gefasst zu einem. Es entstehen bereits so etwas wie überschärfte Kanten. Was die neuen Digicams hinzu fügen, ist schon einfach zu viel. Das kann man wohl von jeder Kamera sagen.

Man sollte einfach mal ausprobieren, wie es aussieht, wenn man die Einstellung der Schärfe im Menü der Kamera um eine oder zwei Stufen zurück nimmt. Das Foto wird nicht schlagartig unscharf werden, aber man gewinnt damit die Möglichkeit später einmal etwas größere Formate zu bestellen oder selbst ausdrucken zu können. Und die Bilder wirken bei höheren ISO-Werten weniger durchzogen von störenden Pixeln.

Wird überhaupt irgendwann geschärft? Nachträglich und nur gering in wenigen Fällen dann, wenn es für den Bildeindruck nötig ist. Bei JPEG zum Ausdrucken kann es fast immer nachteilig sein. Denn ganz selten braucht man einen Bildeindruck, der etwas schärfer wirken soll. Für diejenigen, die im RAW-Format fotografieren, kann gelten: weniger an der Stellschraube „Schärfe“ gedreht ist letztlich mehr. Denn, wer eine Bildbearbeitung benutzt, kann den Eindruck von Schärfe häufig durch das Anheben der Kontraste verstärken. Danach ist das zusätzliche Schärfen im RAW-Format nur vorsichtig anzuwenden.

Gastbeiträge enthalten die Meinung des jeweiligen Autors und spiegeln nicht die Meinung von dkamera.de wieder.