19.04.2016 - 08:30

RAW-Dateien unter Windows 10 im dkamera-Praxistest

Unser Test der Funktionen und Möglichkeiten bei Windows 10 mit RAW-Aufnahmen

Die Anzeige von JPEG-, PNG- oder Bitmap-Bildern ermöglichen die Windows Betriebssysteme bereits seit vielen Generationen. Wenn es um speziellere Dateien geht, ergeben sich aber recht schnell Einschränkungen. Diese bekommen vor allem Fotografen zu spüren, wenn sie mit ihrer Kamera RAW-Bilder aufgenommen haben. Hierbei handelt es sich in der Regel um proprietäre Dateiformate, die – im Gegensatz zu beispielsweise JPEG-Aufnahmen – nicht standardisiert sind. Wir haben bei Windows 10 unter die Lupe genommen, was das Betriebssystem bezüglich RAW-Aufnahmen zu bieten hat.

Wer die RAW-Dateien seiner Kamera im Explorer betrachten wollte, hatte bis Windows 8.1 die Möglichkeit, ein sogenanntes Camera Codec Pack von Microsoft herunterzuladen. Dabei handelt es sich um zusätzliche RAW-Codecs, in unregelmäßigen Abständen gibt Microsoft neue Versionen des CodecPakets heraus. Die Unterstützung für das Camera Codec Pack wurde bei Windows 10 allerdings gestrichen, was im ersten Augenblick doch etwas verwundert.

Das Camera Codec Pack ist zu Windows 10 nicht kompatibel:

Wer das Camera Codec Pack trotz der nicht vorhandenen Kompatibilität installieren möchte, erhält die Fehlermeldung „Dieses Programm kann nicht für diese Windows-Version verwendet werden.“ Dies lässt sich auch nicht mit einer Installation im Kompatibilitätsmodus lösen. Nötig ist die Installation des Codec-Pakets bei Windows 10 allerdings sowieso nicht.

Wir haben die Unterstützung der RAW-Formate von Windows 10 und Windows 8.1 mit Codec Pack verglichen, in beiden Fällen werden die gleichen Kameramodelle unterstützt. Dass Microsoft das Codec Pack direkt integriert hat, ist also positiv zu erwähnen. Allerdings sollte dieser Schritt besser kommuniziert werden.

Nur ein Drittel der RAW-Dateien unserer Testkameras werden von Windows 10 unterstützt:

Welche Kameras zu Windows 10 kompatibel sind, wollten wir mit dem folgenden Test herausfinden. Dazu haben wir die RAW-Dateien von 30 Kameramodellen verwendet. Dabei handelt es sich um Kompaktkameras wie die Canon PowerShot G16 (Testbericht), spiegellose Systemkameras wie die FujiFilm X-T10 (Testbericht) und auch Spiegelreflexkameras, wie die Nikon D810 (Testbericht). Die Kameras sind unterschiedlich lange erhältlich und zwischen Herbst 2011 sowie Herbst 2015 auf den Markt gekommen. Neben bereits älteren Modellen befinden sich darunter also auch brandneue Kameras. Bei den Herstellern haben wir Canon, Nikon, Olympus, Panasonic, FujiFilm, Samsung, Pentax, Ricoh, Sigma und Leica ausgewählt, also diejenigen, die aktuell Kameras mit der Möglichkeit der RAW-Aufnahme anbieten. Unser Testcomputer verfügt über Windows 10 Professional in der 64Bit-Version mit dem Update 1511.

RAW-Unterstützung im Explorer im Vergleich:

Im ersten Test haben wir eine „frische“ Windows-10-Installation verwendet, bei der keine zusätzlichen Treiber oder andere Programme, welche die RAW-Betrachtung beeinflussen könnten, installiert waren. In diesem Test ließen sich die RAW-Dateien von neun Kameramodellen im Explorer betrachten (siehe Tabelle). Dies entspricht somit rund einem Drittel der Modelle. Dabei handelt es sich ausschließlich um Kameras von Canon, Nikon und Sony sowie auch nur um bereits ältere Modelle. Die Sony Alpha 99 (Testbericht) kam beispielsweise im Herbst 2012 auf den Markt, und die Canon EOS 70D (Testbericht) im Sommer 2013.

Bei vorhandener RAW-Unterstützung ist auch die Bearbeitung mit der "Fotos"-App möglich:

Die neueste der unterstützen Kameras ist die Nikon D810, die im Sommer 2014 vorgestellt wurde. Bei allen anderen RAW-Dateien wird nur das typische Explorer-Symbol angezeigt, eine Vorschau ist nicht möglich. Mit anderen Programmen wie beispielsweise Adobe Bridge, lässt sich eine Vorschau natürlich trotzdem realisieren.

Nikon bietet als einer von nur zwei Herstellern einen speziellen Codec zum Download an:

Für Fotografen, die nicht von Windows 10 unterstützte Kameramodelle besitzen – dies dürfte die Mehrheit sein – bleiben als Alternative nur „externe“ Lösungen. Zum einen bietet mancher Kamerahersteller eigene Codecs an, die das Betrachten der Vorschaudateien im Explorer erlauben. Wir haben versucht, für jeden Hersteller bzw. jede Kamera einen herstellereigenen Codec zu finden. Dies ist uns allerdings nicht gelungen, nur Nikon und Sony bieten Codecs an, die sich zur Betrachtung der Vorschaubilder eignen. Für die Kameras der anderen Hersteller haben wir entweder keinen Codec gefunden, der Codec ließ sich nicht installieren oder trotz Installation konnten die Vorschaubilder im Explorer nicht angezeigt werden.

Einen Unterschied gibt es allerdings auch hier. Während die RAW-Dateien der Sony-Kameras nur in einer sehr geringen Auflösung betrachtet werden können (zumindest bei kleinen Vorschaubildern ist dies allerdings kein Problem), ließen sich die Nikon-RAWs wie normale JPEG-Bilder behandeln. Während die meisten anderen Hersteller in diesem Punkt nichts für die Besitzer ihrer Kameras tun, muss Nikon ein großes Lob ausgesprochen werden. Einen derartigen Service würden wir uns von jedem Hersteller wünschen.

Was ist zu tun, wenn alle Versuche gescheitert sind, Vorschaubilder der RAW-Aufnahmen seiner Kamera im Explorer anzeigen zu können? Hier gibt es eine weitere Alternative in der Form von Codec-Paketen von Drittanbietern.

Mit dem FastPictureViewer Codec Pack lassen sich fast alle RAW-Bilder anzeigen:

Eines davon nennt sich FastPictureViewer Codec Pack. Dieses kostet rund 10 bis 15 US-Dollar, kann für einen Zeitraum von 15 Tagen allerdings kostenlos getestet werden. Da der Hersteller zu den „Registered Partnern“ von Microsoft gehört, würden wir vom gefahrlosen Betrieb der Software ausgehen. In der Praxis zeigten sich auch keine Probleme. Nach der Installation werden im Browser die Vorschaubilder aller RAW-Dateien – mit Ausnahme der Sigma dp2 Quattro – angezeigt. Das Bearbeiten funktioniert in der „Fotos“-App von Microsoft dagegen oftmals nicht, das Hinein- und Herauszoomen mit der Windows Fotoanzeige allerdings schon. Letzteres ist aber von der Kamera bzw. deren Hersteller abhängig.

Die Größe des Vorschaubildes ist beim FastPictureViewer auch von der Kamera abhängig:

Während das RAW-Vorschaubild der Leica Q in unserem Test über 720 x 480 Pixel verfügte, waren es bei der Panasonic Lumix DMC-GX8 genau 1.920 x 1.440 Pixel. Bei Kameras von Canon, Pentax, Ricoh und Samsung wurde jeweils die volle Auflösung angezeigt. Da wir etwa ein Megapixel für einen ersten Eindruck als ausreichend beurteilen würden, erreichen die Bilder (bis auf die Aufnahmen der Leica Q) jeweils eine völlig akzeptable Auflösung.

Unter anderem bei Canon-Modellen ließ sich auf die volle Auflösung zurückgreifen:

Unser Fazit zu RAW-Aufnahmen bei Windows 10:
Wer Fotograf ist und vor allem RAW-Bilder aufnimmt, hat es mit Windows 10 nicht unbedingt leicht. Von Haus aus lassen sich zwar die RAW-Dateien älterer Kameras im Explorer betrachten, wer ein neueres Modell besitzt, muss auf dieses Feature aber verzichten. Somit muss man eine andere Lösung suchen, wobei sich die Kamerahersteller – bis auf Nikon und ein klein wenig auch Sony – nicht mit Ruhm bekleckern. Prinzipiell sollte jeder Hersteller in der Lage sein, ein Codec Pack anzubieten. Der Aufwand dafür ist sicherlich nicht allzu groß.

Die Vorschau bedeutet aber nicht, dass die Dateien auch immer bearbeitet werden können:

Stattdessen muss ein Drittanbieter die Kohlen aus dem Feuer holen, das FastPictureViewer Codec Pack macht allen vor, wie es geht. Zwar ist die Auflösung der RAW-Vorschaubilder nicht bei allen Kameras besonders hoch, der grundsätzliche Zweck wird jedoch erfüllt. Da auch der Preis der Software human ausfällt, können wir das FastPictureViewer Codec Pack empfehlen.