Der Weißpunkt

Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus

Gastbeitrag
Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus

Überall in der Fotografie taucht der "Weißpunkt" auf, zum Beispiel beim Weißabgleich in der Kamera. Dabei ist es vollkommen gleich, ob dieser "Punkt" von einer Automatik oder von Hand bestimmt wird. Wirklich genau im Sinne des Messbaren ist das nie, schon deshalb nicht, weil wir Menschen uns keineswegs darüber einig sein werden, was exakt als Weiß bezeichnet werden kann und wo die Grenzen liegen, die kein Weiß mehr sind. Dieser ungenaue "Punkt", der die Farbe Weiß festlegt, ist also ein hübsch hässlich zu beschreibendes Etwas, ein Ding eben. Viele Erklärungen gibt es, Gerüchte, Tipps und immer wieder Leute, die ganz genau zu wissen scheinen - jedenfalls sagen sie das - wo der Weißpunkt liege und wie mit ihm umzugehen sei. Es gibt mehrere technische Normen (D65 und D50) und noch mehr subjektive Eindrücke, die für die Fotografie so wichtig sind, wenn es um Lichtstimmungen geht.

Schon zu Zeiten des Films war der Weißpunkt bekannt. Dabei wurden eigentlich nur zwei Unterschiede genutzt. Das macht es einfacher die Sache mit dem Weißpunkt zu erklären. Bei Film gibt es den sogenannten Tageslichtfilm und den Kunstlichtfilm. Der Tageslichtfilm ist, wie der Begriff sagt, für das Tageslicht besser geeignet. Unter Kunstlicht wurde all jenes verstanden, das zum Glühlampenlicht zu zählen ist. Für Neonleuchten, genauer gesagt allen Fluoreszenzleuchten, gab es nie einen Film, obwohl aus der Erfahrung jeder und jede weiß, wie die Farben eines Fotos mit einer solchen Beleuchtung verfälscht werden. Kurz: Licht ist nicht gleich Licht. Beim Sonnenuntergang erkennt man deutlich wie gelb das Restlicht der Sonne sein kann. Bei einem Tageslichtfilm wird dieses Gelb auch so wiedergegeben. Wer bei solchem Licht je einen Kunstlichtfilm verwendet hat konnte sehen das alles auf dem Bild deutlich zu blau wird. Es gibt einen erkennbaren, blauen Farbstich. Wir sehen wie unterschiedlich Licht sein kann. Filmkameras und digitale Kameras müssen vor einer Aufnahme auf das richtige Licht eingestellt sein. Die Elektronik einer digitalen Kamera regelt dies üblicherweise automatisch. Dabei wird das Licht aus Glühlampen nur wenig gut getroffen und das von Fluoreszenzlampen eigentlich nie. Woran liegt das?

Die meisten Aufnahmen machen wir bei Tageslicht oder Blitzlicht. Es enthält, auch wenn es uns als Weiß erscheint, einen Mischung aus farbigem Licht von Blau, Grün, Gelb bis Rot. Das Spektrum dieser Farben ist durchgängig, von allen Farben ist etwas vorhanden, was zusammen den Seheindruck "Weiß" erzeugt. Also etwas von allem, nur nicht von den Farben der "Purpurlinie", die vom extrem dunklen Rot über Magenta und Violett zu tiefstem Blau reicht, das unser Auge nicht mehr erkennen kann - ähnlich wie das extreme Rot für uns Menschen nicht sichtbar ist. Es liegt daran, dass das Sonnenlicht diese Farbe nicht enthält. Sie entstehen durch die Reflektionen von Oberflächen und werden als Mischlicht sichtbar und von den Farben der Sonne unterschieden.

Wer die Farben des Tageslichts der Sonne beschreiben möchte, braucht einen Vergleich, einen Maßstab. Versuchen Sie mal nur mit Worten das Gelb eines Sonnenunterganges zu beschrieben. Zu diesem Zweck gibt es den "Schwarzen Körper". Das Messgerät ist eine Röhre aus bestimmtem Stahl, in der an einer Seite ein Loch ist. Licht, das bei Temperaturen jenseits von 1600 Grad aus diesem Loch austritt, steht im Zusammenhang mit der Temperatur des Stahls. Aus dem bei 2800 Grad rotglühenden "Schwarzem Körper" wird sogenanntes warmes Licht aus der Öffnung austreten. Bei noch mehr Hitze wird das Licht allmählich immer weißer glühen. Bei Temperaturen von etwa 5400 bis 5800 Grad erkennt ein Mensch dieses Licht als Weiß. Darüber hinaus verfärbt sich das austretende Licht sichtbar nach Blau. Je heißer, desto blauer. Wegen dieses einfachen Vergleichs wird das Licht der Sonne, aber auch von Glühlampen, als “Farbtemperatur“ unterscheidbar und beschreibbar. Für die Farben der Purpurlinien gibt es keinen solchen Maßstab.

Eine digitale Kamera nutzt den Weißabgleich, um bei unterschiedlichem Tageslicht die aufgenommenen Farben umzurechnen. Ist die Mischung aller Farben eines Fotos tendenziell eher gelb, wird die Elektronik die Farben des Bildes nach Blau verschieben. Das macht Sinn - zumeist. Denn wenn man beim Beispiel des Sonnenunterganges bleibt, dann werden wir beim Zusehen die nach gelblich verschobenen Farben von Wasser, Himmel, Sand und allem Grün nur dann hinnehmen, wenn die Szene erkennbar ist. Sonnenuntergänge haben nun mal diese von gelblichen Farbtönen dominierte Farbpalette. Dumm wenn die digitale Kameras dies anders sieht.

Beispiele: Wird an einem späten Nachmittag fotografiert, beispielsweise bei einem Grillfest, dann steht die Sonne bereits tief. Das Tageslicht tendiert in die Richtung von gelblich, selbst wenn dieses durch eine Wolkendecke gefiltert auf die Erde trifft. Der Weißabgleich einer Kamera erkennt die Farbtendenz in den Fotos und korrigiert alle Bilder einer digitalen Kamera um ein bestimmtes Maß in die Richtung bläulicher. Die Farben sehen natürlich aus. Weder Wiese noch Würstchen haben eine gelblichen Farbstich und auch keine Gesichter. Bei einem hohen Sonnenlicht im Sommer führt das Tageslicht auf Fotos zu bläulichen Farbstichen, die wir mit den Augen nicht sehen würden. Unser Gehirn korrigiert bis zu einem gewissen Maße alle sichtbaren Farben, funktioniert also ähnlich einem technisch geregelten Weißabgleich und auch noch viel besser. Eine sommerliche, bläuliche Mittagssonne wird beim Weißabgleich nach gelblich korrigiert. Ebenso ist es beim natürlichen Sehen am Nachmittag beim Grillen. Das gelbliche Licht wird vom Gehirn korrigiert und wir sehen die tatsächliche vorhandene Farbverschiebung einfach nicht. Die Korrekturen bleiben nicht zwischen Blau und Gelb begrenzt. Farbverschiebungen zwischen Rot und Grün werden ebenfalls erkennt und gegebenenfalls ausgeglichen.

Auch Kameras erleben keine vom Sehen korrigierten Farben. Alles wurde so aufgenommen, wie das Licht tatsächlich ist. Erst die Elektronik macht es möglich, dass der Durchschnitt aller Farben eines Fotos vorher gemessen wird. Ist die Tendenz Richtung gelblich, wird die Elektronik nach Blau korrigiert und umgekehrt. Gegen zu viel Rot im Foto wird eine Farbverschiebung für alle Farben nach Grün stattfinden. Dies ist allerdings nicht für jedes Foto gut. Wird beispielsweise eine das ganze Bild ausfüllende grüne Wiese mit ganz kleinen Farbtupfern aus Blüten fotografiert, dann darf eine Farbkorrektur aus der Wiese kein bräunliches Etwas machen. Das Grün sollte über das gesamte Foto grün bleiben. Deshalb wird jedes digitale Bild analysiert. Befindet sich rundum etwas Grün im Foto, dann wird die Elektronik "erkennen", dass dies die richtige Grundfarbe ist. Dabei kann die Elektronik ganz falsch liegen - aber nur selten.

Die den gesamten Farbeindruck jedes Fotos dominierende Farbe ist das Weiß, oder ein farbstichloses Grau. An diesen Farben orientiert sich unser Sehen, wenn wir ein Bild mit seiner Lichtstimmung und Farbtemperatur als "richtig" beurteilen, was eigentlich meint: die Farben werden als naturnah erkannt. Dabei haben wir eine große Toleranz, solange es einen Vergleich gibt. Schon eine rein grüne Wiese wird uns immer verunsichern können, denn für ein solches Foto nehmen wir jene Farben als Vorbild, die wir als "natürliches" Grün erinnern. Weicht das Grün auf einem Foto davon ab, dann sind wir schnell davon überzeugt, dass es kein "richtiges" Wiesengrün sei. Erst wenn andere Objekte in natürlichen Farben im Foto erkennbar sind, dann nehmen wir selbst eigenartige Grüntöne einer Wiese hin. Gefallen müssen uns die Farben einer solchen Wiese nicht. Enthält ein Foto weiße oder graue Farben, dann "stimmen" die anderen - zumeist.

Es gibt Ausnahmen für die Zuverlässigkeit eines automatischen Weißabgleichs: Eine Elektronik kommt mit den gelblichen Farben einer Glühlampe oder einer Kerze als Beleuchtung nie gut zurecht. Es sind Farben die weit weg sind vom Tageslicht. Je weiter weg der Maßstab von der Lichtquelle ist, desto ungenauer wird die Korrektur der Farben. Am wenigsten gelingt dies, wenn nicht einmal das volle Spektrum von Farben im Licht vorhanden ist. Das ist bei Leuchtstoffröhren der Fall. Dabei werden nur kleine Anteile des natürlichen Farbspektrums als Licht ausgestrahlt. Unser menschliches Sehen kann trotz dessen die Farben aller Gegenstände korrigieren, weil wir wissen, wie die Dinge bei Tageslicht aussehen würden. Eine Kamera kann dies jedoch nicht leisten. Fotos mit Fluoreszenzleuchten sind immer farbstichig. Deshalb gibt es die Möglichkeit im Menü einer Kamera den automatischen Weißabgleich abzuschalten und selbst zu bestimmen, wie die ein Motiv dominierende Lichtquelle, das Hauptlicht einer Beleuchtung, wie dieses von der Elektronik wahrgenommen werden soll.

Bei digitalen Kameras können Sie üblicherweise auch noch selbst entscheiden, ob der Weißabgleich strahlendes Sonnenlicht simulieren soll, Sonnenlicht mit einzelnen Wolken, die Sonne hinter einer geschlossenen Wolkendecke, Glühlampenlicht oder verschiedenfarbige Leuchtstofflampen. Solche Einstellungen im Menü verändern die Lichtstimmung eines Fotos ganz entscheidend. Bei JPEG-Fotos lässt sich der gewählte Weißabgleich nicht mehr richtig korrigieren. Das gelingt nur bei Fotos die im RAW-Format abgespeichert wurden, denn hierbei wurden die Farben noch nicht auf einen bestimmten Weißpunkt festgelegt.

Gastbeiträge enthalten die Meinung des jeweiligen Autors und spiegeln nicht die Meinung von dkamera.de wieder.

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Korrektur: Im 6. Absatz muss …

Korrektur: Im 6. Absatz muss es statt "Auch Fotos..." richtig heißen "Auch Kameras...", dann macht der Absatz Sinn. - Hoffentlich wurden die Leser und Leserinnen vom falschen Begriff nicht zu sehr verwirrt.
Ich Danke für die Nachsicht.
Adrian

Kein Problem, ist bereits korrigiert …

Kein Problem, ist bereits korrigiert ;-)

Wirklich genau im Sinne des …

Wirklich genau im Sinne des Messbaren ist das nie, schon deshalb nicht, weil wir Menschen uns keineswegs darüber einig sein werden, was exakt als Weiß bezeichnet werden kann und wo die Grenzen liegen, die kein Weiß mehr sind

Als reinweiß wird nach DIN die Farbe RAL 9010 geführt,
aber nur in Deutschland.68N

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