Die Dual Pixel RAW-Aufnahme im Praxistest

Das besondere Feature der Canon EOS 5D Mark IV unter die Lupe genommen

Im Jahr 2013 hat Canon mit der EOS 70D die Dual Pixel CMOS-AF Technologie eingeführt. Daraufhin folgten mit der Canon EOS 7D Mark II und der Canon EOS-1D X Mark II weitere Modelle, die darauf zurückgreifen konnten. Bislang wurde die Dual Pixel CMOS-AF Technologie jedoch nur zum Beschleunigen der Fokussierung bei Videoaufnahmen oder im Liveviewmodus verwendet. Dies ändert sich mit der Canon EOS 5D Mark IV, die Dual Pixel RAW-Bilder speichern kann. Wir haben die Dual Pixel RAW-Aufnahme in der Praxis getestet.

Die Technologie:
Die Dual Pixel RAW-Aufnahme ist mit der Canon EOS 5D Mark IV möglich, da diese einen sogenannten Dual Pixel-Sensor besitzt. Dies bedeutet, dass alle Bildpunkte des Sensors aus zwei einzelnen Photodioden bestehen, die jeweils ein eigenes Signal ausgeben. Canon hat diese Technologie im Jahr 2013 mit der APS-C-Kamera EOS 70D eingeführt, um eine Phasenvergleichsmessung ohne zusätzlichen AF-Sensor zu ermöglichen.

Die Dual Pixel RAW-Aufnahme wird durch den Bildsensor mit zwei Photodioden pro Pixel ermöglicht:

Die Canon EOS 5D Mark IV erlaubt es nun, zusätzlich die Bildinformationen für die Aufnahme getrennt auszuwerten. Neben den Bildinformationen der Fotodioden werden daher auch die gemessenen Parallaxen-Informationen sowie die extrapolierten Entfernungsinformationen gespeichert. Durch die zusätzlichen Daten ist es laut Canon möglich, den Fokus anzupassen, das Bokeh zu verlagern und Streulicht zu reduzieren.

Die Aufnahme:
Wer Dual Pixel RAW-Bilder mit der Canon EOS 5D Mark IV festhalten möchte, muss die Funktion zuerst im Kameramenü aktivieren. Des Weiteren muss die Speicherung als RAW oder JPEG+RAW vorgenommen werden. Wer sich nur für das JPEG-Format entscheidet, erhält natürlich nur JPEG-Bilder und keine RAW-Dateien.

Standardmäßig ist die Dual Pixel RAW-Aufnahme im Menü deaktiviert:

Diese muss daher aktiviert werden, zudem müssen Bilder im RAW-Format gespeichert werden:

Grundsätzlich gestaltet sich die Aufnahme mit aktivierter Dual Pixel RAW-Option nicht anders als die Aufnahme von „gewöhnlichen“ Bildern. Allerdings gilt es zu beachten, dass die Dual Pixel RAW-Dateien mit etwa 65MB pro Bild deutlich größer als normale RAW-Bilder mit etwa 35MB pro Bild ausfallen. Des Weiteren verringert sich die Serienbildgeschwindigkeit auf vier (JPEG+RAW) bis fünf (RAW) Bilder pro Sekunde und die Bildserienlänge nimmt mit maximal sieben Bildern in Serie deutlich ab. Wer auf eine hohe Bildrate oder lange Bildserie angewiesen ist, sollte daher besser auf die Dual Pixel RAW-Aufnahme verzichten. Ebenso schränkt die Dual Pixel RAW-Aufnahme das Fotografieren in weiteren Punkten ein. Im Liveviewmodus ist beispielsweise keine Serienbildaufnahme mehr möglich.

Prinzipiell kann jede Dual Pixel RAW-Aufnahme zur Bearbeitung verwendet werden, Canon rät jedoch dazu, für beste Ergebnisse Objektive mit Brennweiten über 50mm einzusetzen. Darüber hinaus soll mit einer Blende von F5,6 oder größer gearbeitet und die ISO-Empfindlichkeit nicht höher als ISO 1.600 gewählt werden. Die optimale Motiventfernung liegt bei Brennweiten von etwa 50mm zwischen einem und zehn Metern, bei rund 100mm zwischen zwei und 20 Metern und bei 200mm zwischen vier und 40 Metern.

Die Bearbeitung:
Dual Pixel RAW-Aufnahmen werden mit der Canon-eigenen Software Digital Photo Professional bearbeitet (ab Version 4.5), von anderen Softwareherstellern gibt es aktuell keine funktionierenden Lösungen. In der Zukunft könnte sich dies jedoch ändern.

Für die Dual Pixel RAW-Optimierung besitzt Digital Photo Professional ein eigenes Fenster:

Alle Bilder, die mit der Dual Pixel RAW-Aufnahme gespeichert wurden, werden in Digital Photo Professional mit dem Kürzel „DPR“ gekennzeichnet. Diese Bilder können wie jede RAW-Datei bearbeitet werden, wer die Dual Pixel spezifischen Änderungen vornehmen möchte, muss dazu die unter dem Reiter „Extra“ vorhandene „Dual Pixel RAW-Optimierung“ starten. Diese öffnet sich in einem neuen Fenster. Bevor weitere Angaben vorgenommen werden können, berechnet oder lädt die Software zuerst allerdings das ausgewählte Bild. Dieser Vorgang nimmt einen längeren Zeitraum in Anspruch, bei unserem Vierkernprozessor mit 3,3GHz pro Kern wurden etwa 15 bis 20 Sekunden benötigt.

Die geringfügige Bildanpassung erlaubt das Anpassen der Fokussierung in mehreren Stufen:

Drei Bilder mit unterschiedlichen Fokuseinstellungen (0, hinten 5, vorne 5) im Vergleich:

Die Dual Pixel RAW-Optimierung hat die drei bereits angesprochenen Dual Pixel RAW-Optionen zu bieten. In der Software werden sie als „Geringfügige Bildanpassung“, „Bokeh-Verschiebung“ und „Ghosting-Reduzierung“ bezeichnet. Zur besseren Kontrolle lässt sich die Darstellung auf 100 Prozent, 200 Prozent, 300 Prozent oder 400 Prozent vergrößern.

Die „Geringfügige Bildanpassung“ erlaubt die Fokuskorrektur um jeweils fünf Stufen nach hinten sowie vorne. Zudem kann man die Stärke des Effektes einstellen. Der Unterschied ist selbst bei der maximalen Korrektur leider nur mit stärkerer Vergrößerung zu sehen und für die Praxis kaum relevant.

Die Motive im Bokeh lassen sich nach rechts sowie links verschieben:

Drei Bilder mit unterschiedlich verschobenem Bokeh im Vergleich:

Bei der „Bokeh-Verschiebung“ lässt sich eine Korrektur um fünf Stufen nach links und fünf Stufen nach rechts vornehmen, zudem kann man einen Korrekturbereich vorgeben. Erfolgt eine Bearbeitung, werden die Teile des Bildes, die im Bereich der Vorder- und Hintergrundunschärfe liegen, bewegt. Achtung: Wer eine Bokeh-Verschiebung nach links wünscht, muss den Slider nach rechts bewegen. Dies gilt auch umgekehrt.

Im Gegensatz zur geringfügigen Bildanpassung ist die Bokeh-Verschiebung auch ohne eine Vergrößerung zu erkennen. In der Praxis lassen sich durchaus Situationen finden, in denen die „Bokeh-Verschiebung“ Sinn ergibt. Durch den erhöhten Korrekturaufwand dürften die meisten Fotografen das Optimieren des Bokehs aber wohl nur bei wenigen Bildern einsetzen.

Die Ghosting-Reduzierung lässt sich nur ein- sowie ausschalten und nicht weiter konfigurieren:

Eine Aufnahme ohne Ghosting-Reduzierung und eine mit Ghosting-Reduzierung im Vergleich:

Die dritte Option nennt sich „Ghosting-Reduzierung“ und verringert laut Canon Streulichteffekte. Sieht man von der Bereichsauswahl einmal ab, werden hier keine zusätzlichen Einstellungsmöglichkeiten angeboten. Es ist daher nur möglich, die Reduzierung zu aktiveren oder zu deaktivieren. Bei unseren Beispielaufnahmen, bei denen wir Linsenreflexionen bewusst provoziert haben, ist die Korrektur durchaus erfolgreich. Teile der Reflexionen ließen sich im Test verringern und fielen deutlich weniger auf. Der Nutzen der „Ghosting-Reduzierung“ dürfte in der Praxis daher am größten sein.

Unbearbeitete Beispielaufnahmen im Dual Pixel-RAW-Format:

Unser Fazit:
Mit der Dual Pixel RAW-Aufnahme dürfte Canon bei so manchen Fotografen (bewusst oder unbewusst) die Hoffnung auf eine neue, revolutionäre Technologie geschaffen haben. Nach unserem Praxistest können wir festhalten: Revolutionär ist die Dual Pixel RAW-Aufnahme durchaus, der praktische Nutzen ist aber gleichwohl gering. Es lassen sich zwar fraglos Situationen finden, in denen die zusätzlichen Bearbeitungsmöglichkeiten Vorteile bieten, in der Regel sind die erzielbaren Effekte aber einfach nicht ausreichend für größere Veränderungen. Am meisten konnte uns noch die „Ghosting-Reduzierung“ überzeugen, denn Linsenreflexionen können zum Teil sichtbar reduziert werden. Bei stark auftretendem Streulicht mit der Dual Pixel RAW-Optimierung nachzuhelfen, kann daher durchaus Sinn ergeben.

Die „Bokeh-Verschiebung“ erlaubt kleinere Änderungen an den Motiven im Unschärfebereich, in der Praxis wird man diese jedoch nur sehr selten benötigen. Das aus unserer Sicht eigentlich wichtigste Feature der Dual-Pixel-RAW-Aufnahme ist die sogenannte „geringfügige Bildanpassung“ – oder sagen wir besser: sie hätte es sein können. Damit lässt sich der Fokus nach vorne oder hinten verschieben. In der Praxis funktioniert die „Geringfügige Bildanpassung“ durchaus, der Effekt ist aber nur sehr gering. Liegt der Fokus bei einer Aufnahme wirklich daneben, kann man ihn damit nicht korrigieren. Ein Praxisnutzen besteht aus unserer Sicht daher nur in den allerwenigsten Situationen. Beispielsweise wenn der Fokus zu 99 Prozent stimmt, man aber einen 100 Prozent sitzenden Fokus haben möchte.

Wer die kleinen Vorteile der Dual Pixel RAW-Funktion nutzen will, muss leider auch mit einigen Nachteilen leben. Die Bilddateien sind deutlich größer, die Kamera wird langsamer und es gibt weitere Einschränkungen bei der Aufnahme. Das Anwenden der Dual Pixel RAW-Korrekturen ist – auch wegen der längeren Berechnungsdauer der einzelnen Schritte – zudem langwieriger.

*Diese Links führen zu Amazon- oder anderen Online- Angeboten, keine Verfügbarkeitsgarantie, keine Garantie auf günstigsten Preis, Preise können variieren, Preise inkl. MwSt. / evtl. zzgl. Versandkosten, alle Angaben ohne Gewähr.

Diese Seite war für mich …

Diese Seite war für mich sehr informativ.
Danke dafür.
Dual Pixel mag für den geldverdienenden Profi
sinnvoll sein, für den ambitionierten Amateur aber nur bedingt.
Ich schließe mich Ihrem Fazit voll an.
M.f.G. F.S.

  • Keine HTML-Tags erlaubt
  • Zeilen und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • URLs und Email-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
  • Kommentare werden erst nach Moderation freigeschaltet, wenn die Regeln befolgt wurden. Dies kann etwas Zeit in Anspruch nehmen. Wir bitten um Ihr Verständnis.
  • Felder mit rotem Stern müssen korrekt ausgefüllt werden.
  • Bitte füllen Sie das CAPTCHA aus, dieses dient als Spam-Schutz. Lösen Sie einfach die im Bild angegebene mathematische Gleichung.
  • Mit dem Absenden dieses Formulars erklären Sie sich ausdrücklich damit einverstanden, dass die von Ihnen erhobenen und eingesendeten Daten für die Bearbeitung Ihrer Anfrage elektronisch erhoben und gespeichert werden. Diese Einwilligung kann jederzeit mit einer Nachricht an uns widerrufen werden. Weitere Informationen entnehmen Sie unserer Datenschutzerklärung.
captcha

x