Kleine Digitalkameras und ihre Objektive

Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus


Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus

Die fest eingebauten und kleinen Objektive werden gerne unterschätzt. Schon wegen der Größe hält man diese nicht für vollwertig, zumindest nicht, wenn in der einen Hand eine kompakte Digitalkamera liegt und in der anderen die Optik einer Spiegelreflexkamera. Selbst deren Festbrennweiten sind deutlich größer und auch schwerer als die gesamte Kompaktkamera in der anderen Hand.

Was also kann man von einer Kamera mit notwendigerweise sehr kleinen Optik erwarten? Mehr als von einer großen. Und das muss man auch, denn die kleinen projizieren die Abbildungen auf einen Bildsensor, dessen Bildinformation immerhin rund 50fach vergrößert werden muss, um ein 20 x 26 cm Papierbild in den Händen zu halten. Das ist eine 2500 mal so große Fläche wie ein üblicher 1/2,5" Sensor (3,9 x 5,2 mm).

Dagegen, eine Spiegelreflexkamera mit einem ca. 16 x 24 mm großen APS-C-Sensor muss nur eine um 12,5 fach vergrößerte Bildinformation wiedergeben. Das ist in der Fläche der Faktor 156, der für ein 20 x 30 cm Papierformat reicht. Es sind schon ungeheure Leistungen, die von den kleinen Linsen einer kompakten Digitalkamera erreicht werden. Noch vor wenigen Jahrzehnten war dies gar nicht vorstellbar. Erst mit dem Pressen von Linsen, statt diese aus einem Rohling zu schleifen, wird die Präzision erst möglich, mit der diese Abbildungsleistungen erreicht werden.

Die Bildfehler einer abnehmenden Schärfe zum Bildrand und der Abfall des Lichts in die Ecken hinein gehört zu jeder optischen Konstruktion mit Weitwinkeln. Keine Optik kann diese Effekte gänzlich vermeiden. Einzig die mittige Justage der Objektive kann noch ein Problem sein. Leider sieht man in vielen Tests dieses Manko, wenn Schärfe- und Lichtabfall zum Rand nicht gleichmäßig verteilt sind. Eine Bildecke wird dabei deutlich dunkler als andere bei gleichmäßigem Licht.

Doch gerade im Bereich der weiten Bildwinkel sind die Objektive der kompakten Digitalkameras konstruktionsbedingt deutlich im Vorteil. Der Grund: man muss kein Auflagemaß berücksichtigen. Da bei Spiegelreflexkameras zwischen Optik und Bildsensor der Spiegel sitzt und weil die wechselbaren Optiken alle an das Bajonett angesetzt werden, muss bei jedem Objektiv die Größe des Spiegelkastens in der Konstruktion berücksichtigt werden. Für Weitwinkel bedeutet dies einen zusätzlichen konstruktiven Aufwand zu treiben, was zu mehr Linsen führt, allein, um dem Schwingspiegel seinen Platz zu lassen. Ein Weitwinkel hat eine kurze Brennweite, kürzer als das Auflagemaß. Ohne eine Spiegelkonstruktion würde die letzte Linse nur wenige Millimeter vor dem Bildsensor stehen können.

Seit wenigen Jahren haben alle Kompaktkameras Bildsensoren mit vorgesetzten Mikrolinsen. Das Licht aus der letzten Linse muss heutzutage nicht mehr möglicht geradlinig auf den Bildsensor treffen, sondern kann sich im Lichtkegel ausdehnen. Da hat Vor- und Nachteile. Die Vorteile überwiegen, denn jede Linse, die nicht ausschließlich für die Abbildung gebraucht wird, verschlechtert die optische Leistung.

Einzig die recht große und äußerlich einer Spiegelreflex ähnlichen Kamera Sony R1 (im Ausverkauf) mit einem APS-C-Sensor, aber ohne Spiegel, verblüffte mit seinem Vario-Objektiv (gerne „Zoom“ genannt). Die Leistung im Bereich des Weitwinkels stellte einige Wechselobjektive der etablierten Sytemkameras locker ins Abseits. Es wurde auch möglich, weil die letzte Linse nur 9 mm vom Bildsensor entfernt war.

Kompaktkameras zeigen ihre Vorteile bei jeder weitwinkeligen Abbildung, trotz der winzigen Bildsensoren. Wenige Linsen genügen, schon sechs für ein 3fach Vario, um bis zur Sensordichte von 7,1 Megapixeln gleichwertige Linsenssysteme produzieren zu können. Und im Vergleich zu den wechselbaren Optiken von Spiegelreflexkameras sind diese unerhört preiswert. Auch die Größe oder besser Kleinheit der Objektive ist nur möglich, weil es keine konstruktiven Beschränkungen bei den Maßen gibt. Selbst flachste Gehäuse sind kein ernsthaftes Problem für die Linsenkonstrukteure.

Erst bei den Bildsensoren, die mehr Megapixel auf kleinster Fläche bieten, zum Beispiel bei 10 Megapixeln, stoßen die kleinen Optiken an ihre Grenze, wie viele Tests belegen. Die theoretisch mögliche Leistung wird also nicht mehr erreicht, mehr Megapixel erbringen keine verbesserte technische Qualität im Bild. Und deshalb können die Eigner von digitalen Kompaktkameras sicher sein, im Weitwinkelbereich eine grundsätzlich konstruktiv bessere Optik in Händen zu haben, als jene mit „dickem Kasten“.

Gastbeiträge enthalten die Meinung des jeweiligen Autors und spiegeln nicht die Meinung von dkamera.de wieder.

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