Nebel – das „einfache“ Motiv

Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus

Gastbeitrag
Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus

So manches Flussufer ist noch teilweise oder wieder mit Eis bedeckt und zeigt bei den Temperaturunterschieden einen morgendlichen Nebel. Da dies eher selten zu fotografieren ist, wird sich so mancher oder manche in den noch nicht so frühen Morgenstunden des beginnenden Tageslichtes aufmachen, um zu einer landschaftlichen Aufnahme mit Nebel zu kommen. Es gibt die irrige Meinung, dass Nebel ein einfach zu belichtendes Motiv sei, denn die geringen Kontraste ließen sich recht einfach einfangen. Man könne eine solche Aufnahme in Ruhe und am heimischen Bildschirm nachbearbeiten, so dass Helligkeit und Kontrast leichthin zu verändern seien und so der erlebte Eindruck auf einem Foto festgehalten werde.

Doch genau das geht bei Aufnahmen von und mit Nebel zumeist gründlich daneben. Ich habe dies bei einer ganzen Reihe von Aufnahmen selbst lernen müssen und sehe die Probleme bei den Fotos anderer immer auf ein Neues. Denn Nebel ist ganz und gar kein „ruhiges“ oder „einfaches“ Motiv. Im Gegenteil, die niedrigen Kontraste aus Licht und Farbe verleiten zu vielen Fehler schon bei der Aufnahme. Eigentlich muss man im digitalen Zeitalter im Plural schreiben, denn üblicherweise wird an Aufnahmen nicht gespart, sondern schnell eine Aufnahme mehr und auch drei zusätzlich gemacht, zur „Sicherheit“. Nur, es nutzt nichts, wenn nicht deutlich ist, worin das Problem mit dem Nebel eigentlich besteht, welche Variationen der Belichtungskorrektur oder des Ausschnittes einen Sinn machen. Sehen wir uns einen Nebel im Allgemeinen genauer an.

Nebel ist fast immer keineswegs ein einheitlicher, halbdurchsichtiger Schleier, der sich flächig über ein Motiv zieht. Nebel besteht aus kleinen, ineinander verwobenen Schwaden, die zugleich an vielen Stellen am Boden oder über dem Wasser entstehen und sich dort unterschiedlich schnell ablösen, seitwärts von Wind getrieben werden oder aufsteigen. Wer auf die Kamera verzichtet und dies einfach nur beobachtet, wird meine vielleicht unwissenschaftliche Beschreibung bestätigen können. An vielen Stellen ist ein recht unterschiedliches „Mini“-Klima gleichzeitig zu beobachten. Chaosforscher hätten daran sicherlich ihre Freude.

Was wir als Stimmung des Nebels wahrnehmen hat wohl eher etwas mit dem Zusammenwirken all unserer Sinne zu tun, denn die allseitig gedämpften Geräusche täuschen über das vielfältige Geschehen innerhalb des Nebels hinweg. Natürlich ist jede Kamera gegen diese Stimmung vollkommen „unempfindlich“, registriert mit der Optik ganz sachlich, was tatsächlich geschieht. Und das sind die vielen Nebelfetzen, die in unterschiedlicher Dichte und Höhe selbst vom leichtesten Windhauch bewegt werden, durcheinander gewirbelt oder in der Tiefe der Entfernung aneinander vorbei vorschoben von Sekunde zu Sekunde jeder Belichtungsmessung in der Kamera andere Belichtungssituationen bietet, wenn die Szenerie mit vielen Spots ausgemessen würde.

Wo für das menschliche Auge eine eher diffuse Nebelwand steht, nimmt die Kamera unterschiedlich dichte Wolken oder Nebelschwaden auf, registriert höchst unterschiedliche Kontraste und Lichtstimmungen im Kleinen. Wer nun – was durchaus üblich ist – eine solche Szenerie mit einer einzigen Aufnahme einfangen möchte, holt unterschiedliche Lichtsituationen zugleich ins Bild. Im vielfältigen Geschehen des Nebels übersieht der Fotograf oder die Fotografin ganz leicht, dass an einer Stelle kaum das Flussufer zu erkennen ist, an einer anderen jeder Grashalm kontrastreich sichtbar bleibt, dort die Bäume im Nebel verschwinden und da einzelne Äste oder gar die Baumkronen gut sichtbar sind und sich gegen den grauen Hintergrund vielleicht deutlich abzeichnen.

Die Lichtsituation ist genau betrachtet noch komplizierter, schon weil eine digitale Kamera grundsätzlich mit einem farbempfindlichen Bildsensor aufnimmt. Während durch die geringen Kontraste in einigen Bereichen ein fast schwarz-weißer Motivbereich entsteht, ist an anderer Stelle, dort wo hohe Kontraste existieren, die Farbigkeit keineswegs eingeschränkt. Zu den Unterschieden aus Hell-Dunkel-Kontrasten kommen in einer Aufnahme also noch die Farbkontraste hinzu. Das alles ergibt schon für sich eine höchst diffizile, weil nicht miteinander vereinbare Lichtstimmung, die in einer einzelnen Aufnahme dazu beitragen, dass ein solches Foto in Bildteile zerfällt, schon vom ersten Eindruck her nicht zusammen passende Bildbereiche schafft. Von der uns einfangenden Lichtstimmung ist dann leider gar nichts mehr übrig. Eher ratlos steht man vor solch unerwartet unbefriedigenden Aufnahmen.

Jeder Nebel ist lichttechnisch betrachtet ein Sturm. Ihm beizukommen gelingt zumeist nur, wenn man die weiten Aufnahmewinkel vermeidet. Sicherlich gibt es gelungene Aufnahmen, das sind die wenigen Ausnahmen in der Regel. Aber diese sehen von der Lichtsituation ganz anders aus. Ihnen ist gemeinsam, dass man sehr weit über, zum Beispiel, ein nebliges Tal blickt. Dann besteht die Chance – aber eben nicht mehr – dass die vielen kleinen Lichtstimmungen wie eine einzige wirken, weil sie in der Aufnahme sehr klein wiedergegeben werden und dadurch bedingt nicht auffallen. Doch meist ist man viel näher dran und möchte trotz dessen alles in einer Aufnahme mit weitem Bildwinkel festhalten, was dann üblicherweise völlig daneben geht.

Einem Nebel wird man eher gerecht, wenn man als Fotograf oder Fotografin in Ausschnitten denkt und sieht. Da von Sekunde zu Sekunde der Nebel als uneinheitliches Gebilde in Schwaden über ein weites Motiv hinweg zieht, hat man fortwährend viele kleine Szenen, die nach einem engeren Bildwinkel verlangen. In meinem Beispiel: Hier ein Ausschnitt vom Ufer mit scharf abgebildeter, weil nebelfreier Eiskante und umreiftem Gras oder Buschbereich und Baumbestand. Dort ein vom Nebel umschlossener, traumhaft verwunschener, wolkiger Lichtbereich. Aber, weil man es immer genau wissen will, auch im Misserfolg, macht man zuerst seine Übersichtsaufnahmen, die höchstwahrscheinlich gar nicht so eindrucksvoll werden, wie schon beschrieben. Und dann sucht man sich mit der Kamera jene Details, die tatsächlich auf die unterschiedlichen Lichtverhältnisse in einem nebligen Motiv eingehen. So entsteht eine kleine Serie von Bildern, aus denen das eine oder andere Motiv die erlebte Lichtstimmung wiedergibt. Zusätzlich sind danach andere Bilder vorhanden, die das zeigen, was im Nebel eben alles auch noch passiert.

Mit viel Glück und bei seltenen Motiven mag man die eine oder andere Weitwinkelaufnahme vorweisen, die einen Nebel als Ganzes erfasst. Aber wer steht schon auf einem Berg und schaut auf eine talwärts vorhandene Nebelwand in unendlicher Entfernung? Der Nebel ist meist viel näher. Und wir Menschen sind ihm näher, weil vom stillen Geschehen eingefangen und überwältigt von jener Dramatik einer sich in Sekunden verändernden Lichtstimmung, die uns erst nach dem Fotografieren bewusst wird, beim Betrachten der Fotos. Es macht deutlich, dass die Fotografie auch heute zum unvorhersehbaren Abenteuer werden kann und Fotos zu einer beachtenswerten Trophäensammlung, die nicht so viele vorweisen können.

Gastbeiträge enthalten die Meinung des jeweiligen Autors und spiegeln nicht die Meinung von dkamera.de wieder.

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Wie gut das tut... wenn …

Wie gut das tut...
wenn jemand wie der Verfasser dieses bemerkenswerten Artikels sich ganz vorsichtig der aktuellen Gezoomten-möglichst-schnell-und-bequem-Ihre-Kamera-kann-alles-Fotowelt entgegenstellt und wie gut das tut, wenn dann jemand in so liebevoll begründeter Weise zum Innehalten einlädt....
und dabei über seine eigene Sensibilität beim Sehen auch für's kollegiale Umfeld in beispielhafter Form behilflich sein möchte ....
dankeschönvielmals!

Das kann ich nur unterschreiben! …

Das kann ich nur unterschreiben!
Ich habe mir schon bei so manchem Nebel die Zähne ausgebissen (die fotografischen wohlgemerkt!) Da sehe ich ein super nebeldurchzogenes Motiv, probiere alle möglichen Belichtungs- und Blendenvariationen durch und daheim am Computer muss ich feststellen, dass es mir wieder nicht gelungen ist, die Nebelstimmung einfzufangen. Aber ich gebe nicht auf und werde die Tipps von Adrian Ahlhaus mit Dankbarkeit beherzigen.

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