Preise im freien Fall und wie damit umgehen

Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus

Gastbeitrag
Ein Gastbeitrag von Adrian Ahlhaus

Es ist nichts wirklich Neues: kaum ist eine Kamera auf dem Markt angekommen, schon beginnt der Verkaufspreis in den Läden zu sinken. Bei so mancher neuen Kamera scheint dies bereits eingepreist zu sein. Doch wird es so bleiben? Wenn ein Kamerahersteller vermeiden möchte, dass seine Modelle bereits ein halbes Jahr nach der Markteinführung um rund 40% billiger verkauft werden, dann muss man sich etwas einfallen lassen. Die Firma Sony hat dies getan. Mit der jüngst gestarteten Modellpalette wird der Preis für die Alpha 700 gestützt. Zwar halte ich die Alpha 700 für ein überteuertes Modell der gängigen Mittelklasse, jedoch ist die Markteinführung der preiswerteren Reihe (300 und 350) sicherlich geeignet den Preisverfall zu begrenzen. War es bisher für Kunden einer Spiegelreflex recht ärgerlich zu sehen wie das geliebte Modell schon nach wenigen Wochen mal eben lockere 200 € billiger im Laden stand, so gibt jede Preisstabilität den Produkten eine zusätzliche Wertigkeit. Bei den kompakten Digitalkameras bleibt es, auch bei Sony, wie bisher und vollkommen unübersichtlich, zum Nachteil der Kunden - wie sollte es auch anders sein?

Alle halbe Jahre drückt jeder große Hersteller seine komplett neue Modellreihe in den bereits vollen Foto-Markt. Man erkennt es daran, dass alle Händler und die großen Handelsketten keine einzige Modellreihe auch nur ansatzweise vollständig vorweisen können. In den Regalen und Vitrinen mischen sich Jahre alte Kameras mit dem einen oder anderen nagelneuen Modell. Die Hersteller gehen den üblichen Weg. Sie sehen zu, oder müssen zulassen, dass ihre Kameras dem Preisverfall von Backwaren ausgesetzt sind: Brötchen oder Brot von gestern zum halben Preis? Doch das ist nicht selbstverständlich so, denn woran erkennt ein Kunde das ein bestimmtes Modell wirklich neu ist? Eigentlich nur dann, wenn ein bisher und wenig bekanntes Design auftaucht. Sonst sehen sich die Digitalkameras zum Verwechseln ähnlich, abgesehen von ein wenig Farbe und einigen Knöpfchen.

Der Handel spielt bei der Preisentwicklung eine ganz große Rolle. Ein Beispiel: Vor kurzem war ich in einem großen Elektromarkt, einem der zwei gleichen Riesen. In den Regalen und Vitrinen standen Spiegelreflex-Kameras. Mal stand das ältere Modell im Regal, das eines anderen Herstellers, in der Vitrine. Die Firma Canon wurde angeboten mit der noch als neues Modell erhältlichen, älteren 350 D oder der neueren 400 D, die beide nicht mehr so „jung" sind. Denn die 450 D steht in den Startlöchern. Erstaunt war ich zu lesen, dass die 350 D deutlich teurer angeboten wurde als die 400 D. Ebenso verhielt es sich bei den Modellen von Olympus mit der E 400 und der E 410. Kurz: Wer im Laden dieser Geiz-Kette sich nicht bereits auskennt, wo was steht und mit den Modellen der Hersteller und Preisen und auf die Preisschilder sich verlassen möchte, verliert mehr als 50,00 € und bekommt eventuell das ältere Produkt zum höheren Preis in die Hände gedrückt. Hier geizt der Verkauf mit Markt-Transparenz. Bei den kompakten Digitalkameras ist das ebenso. Zwei Jahre alte Modelle wechseln mit neueren Kameras ab. Die Preise der älteren Kameras werden nicht gesenkt, weil die Hersteller keine Rückerstattungen übernehmen. Es bedeutet, kein Verkaufspreis kann zur Orientierung herhalten. Aber auch, dass die G7 oder die neuere G9 solch "merkwürdigen" Preise hat, lässt sich beobachten.

Doch zurück zum Ausgangspunkt. Es gibt Kameras am deutschen Markt, oder wird es geben, z.B. die nagelneue Fujifilm S100FS, deren Verkaufspreis offensichtlich schon sinkt, bevor die Kamera überhaupt ausgeliefert wird. Ein anderes Beispiel: Sigmas DSLR "SD14", vor einem Jahr auf den Markt gebracht und mit um 1199,- Euro im Handel, kostet heute ca. 580,- Euro.

Am Preisverfall, insbesondere bei kompakten Digitalkameras, ist nicht allein die Konkurrenz schuld, sondern auch das Gefühl der Kunden und Kundinnen, man brauche bloß zu warten, bis mit dem nächsten Modell noch bessere Foto-Eigenschaften auftauchen. An dieser Einstellung der Kundschaft sind die Hersteller selbst schuld. Wenn man bei den Digicams zweimal im Jahr komplett neue Modelle mit angeblich einmalig neuen Eigenschaften vorstellt, dann muss man sich nicht wundern, wenn die Kunden und Kundinnen das Gefühl haben, schon in naher Zukunft, vielleicht bereits in ein paar Wochen, also schon demnächst, eine deutliche Qualitätssteigerung erwarten zu können. Das haben die Hersteller durch eine losgelassene Horde von Werbefuzzis sich selbst eingebrockt. Dabei ist in der Kameratechnik seit 2005 lediglich eine Sache neu hinzu gekommen: die Gesichtserkennung. Ansonsten zeigen neue Modelle fast ausschließlich Einsparungen: Wo einst Mechanik war, werkelt nun deutlich billigere Elektronik.

Doch bevor wir die Situation der Hersteller wegen der Preise bedauern, sollte man sich darüber im klaren sein, dass ein übliches Kameramodell nicht fortlaufend neu gebaut wird. Viele Modelle, auch Spiegelreflexe, werden einmalig in großer Menge als ein Volumen produziert und so weit als möglich sofort abverkauft, bis die eigenen Lager weitgehend leer sind. Das macht auch Sinn. Ähnlich wie bei Computern kauft man zum aktuellen, günstigsten Mengenpreis alle Teile einmalig ein, kann also mit eindeutigen Kosten kalkulieren, und verteilt gleich zu Beginn der Auslieferung die Menge über den Markt. Damit lässt sich in einem höchst volatilen Marktgeschehen eine stabile Kostenrechnung erstellen und der sofortige Absatz in die Lager der Händler hinein verringert die Kosten der Hersteller. Die nächste Modellreihe ist dabei nicht nur schon entwickelt, sondern bereits in der Produktion. Lediglich bei den Spitzenmodellen werden die Kameras in kleinen Chargen neu zusammen gebaut. In diesem Marktsegment wechseln die Modelle auch nicht nach einem halbjährlichen (Digicams) oder jährlichen bis zweijährigen (DSLR) Rhythmus. Aber einige DSLRs, jüngst bei Sony und Olympus, sind auch mal nur ein halbes Jahr auf dem Markt.

Übrigens, ein Hype auf immer neue Modelle ist im Mutterland der digitalen Kameras nicht erkennbar. Zwar sieht man die Eingeborenen mit Fotokameras und es wird reichlich geknipst, allerdings auf Film.

Bei den Digitalkameras hebelt die unüberschaubare Vielfalt an älteren und neuen Modellen einen angemessenen Aufwand für den Preisvergleich aus. Deshalb orientieren sich die Käufer fast ausschließlich an den Empfehlungen der Redaktionen und an den Berichten in Foren. Die Fotopresse wird so schnell zum verlängerten Arm der Hersteller, ob im Internet publizierend oder als Druckware vertrieben, und hat eine enorme Bedeutung beim Verkauf bestimmter Modelle. So muss auch die Redaktion von "www.dkamera.de" sich überprüfen lassen, wie nah man an den Herstellern hängt. Und wie nun kann ein Laie dies selbst überprüfen? Woran misst man den Einfluss einer Redaktion? Sehen Sie in das überall angeschlossene Forum. Daran erkennen Sie selbst, als auch eine aufmerksame Marketingabteilungen dies zur Beurteilung nutzt, wie sehr der Verkauf bestimmter Marken und Modelle gefördert wird. Und wie ist das hier? Sehen Sie sich an wie selbst die aktuellen Modelle mit abwägenden und kritischen Urteilen begleitet werden: "Ist das neue Modell besser als das ältere?", ist eine der Fragen im Forum. Und selbstverständlich kann man das im Gegensatz zur Werbung nicht so einfach bejahen, wie an den Antworten zu lesen ist. Da hat die Redaktion mit den Berichten und den Tests sich ein aufgeklärtes Publikum geschaffen.

Und wie sortiert man beim Kauf aus? Bei den Preisen im Internet bedeutet es üblicherweise, dass der Aufwand für ein Angebot die geringe Nachfrage nach Looser-Produkten nicht lohnt. Also, nicht an den Verkaufspreisen kann man sich orientieren, sondern daran ob ein Kameramodell nach einem halben Jahr überhaupt noch und relativ preisstabil im Internet angeboten wird. Denn dieses Modell hat den gelegentlich enormen Werbeaufwand und künstlich erzeugten Hype überstanden und ist immer noch aktuell. Denken Sie nur an die ehedem allgegenwärtigen Anzeigen des Herstellers "Samsung" bei der Einführung der Modellreihe "NV". Bis sich herum sprach was man von den technischen Qualitäten und dem neuen Bedienungskonzept halten kann. Allerdings würde ich nach jeder Recherche beim Fotohandel kaufen. Die 25 Euro zusätzlich für den besseren Service würde ich ausgeben, insbesondere bei späteren Reklamationen kann man dann besser aufgehoben sein.

Gastbeiträge enthalten die Meinung des jeweiligen Autors und spiegeln nicht die Meinung von dkamera.de wieder.

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Adrian, wer erster sein will, …

Adrian, wer erster sein will, muss draufzahlen. Warum soll ich mich freuen, wenn Kamerapreise künstlich hochgehalten werden? Was habe ich als Kunde davon, wenn Sony, um das erste Beispiel zu nehmen, neue Modelle einführt, damit die von Dir als "überteuert" bezeichnete Kamera nicht so schnell billiger wird.

Tut mir leid, ich kann das Klagen nicht verstehen. In der Computertechnik und damit bei den digitalen Kameras ist die Entwicklung schneller als früher. Bei Computern weiss ich, dass mein Prozessor in einem Jahr nicht mehr hergestellt und in einem halben Jahr einige Prozente billiger sein wird. Warum soll das bei Kameras nicht sein dürfen? Mir reicht "er war das, was ich zu dem Zeitpunkt haben wollte und konnte", ich brauche kein "Toll, ich habe eine gute Kamera, weil die heute noch so viel kostet wie vor ein paar Monaten".

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